Demut

Es gibt Worte, mit denen tue ich mich schwer, sie zu verstehen, Zugang zu ihnen zu finden. Demut ist eins davon.

Lange habe ich mich gefragt, was damit gemeint ist ‚Demut‘. Es gab eine Zeit da war in der Presse im Zusammenhang mit Herrn von Guttenberg viel die Rede von Demut. Jedes Mal bin ich an diesem Wort hängen geblieben.

Heute morgen räume ich meinen Schreibtisch auf und tauche dabei einen Zeitungsausschnitt hoch, den ich wohl für so wichtig gehalten habe, um ihn auszureißen und aufzuheben. Seine Überschrift ist ein Zitat von Anselm Grün: ‚Demut ist der Mut, in seine eigene Tiefe und Dunkelheit hinunterzusteigen.‘

Auf einmal wurde mir klar, was Demut bedeutet. Das Zitat fasst in Worte, was ich zuvor gefühlt und selbsterkennend herausgefunden hatte. Untiefen meines eigenen Seins. Destruktive Verhaltensweisen in der Kommunikation. Unbewusst und aus einer inneren Not heraus, auf der Suche nach Zuwendung verursachen sie Abwendung. Und das mir. Der, durch deren Leben sich das Thema Kommunikation, oder besser der Ausdruck, wie ein roter Faden zieht. Statt das authentische Gefühl zu formulieren, kommt ein mir erst jetzt nachvollziehbarer Murks raus.

Welche Konsequenz hat diese Erkenntnis nun? Für mich: Schutzschild runter. Gnadenlose Ehrlichkeit mir selbst gegenüber, verbunden mit dem Eingeständnis, dass ich nicht so bin, wie ich gerne wäre. Dass Vieles nicht so ist, wie ich es gerne hätte. Dass es nicht immer nach meinem Willen geht.

Und trotzdem ist da diese unerschütterliche Zuversicht. Die Zuversicht, dass alles einen Sinn hat. Sonst hätten sich die Dinge in meinem Leben nicht so entfaltet, wie sie es haben. Sonst hätte ich nicht diesen Schatz an wundervollen Erfahrungen. Sonst würden mich meine Füße nicht intuitiv dahin tragen, wo ich lernen kann. Ein tiefes Vertrauen in das Leben. So schwer es mir auch fällt, die Umstände anzunehmen, wie sie sind. Ich glaube, auch das ist Demut.

Carl Gustav Jung schreibt die Demut der zweiten Lebenshälfte zu, in der es darum geht, vermehrt auf die Intuition zu hören. Der inneren Stimme statt den äußeren Maßstäben zu folgen. Dazu braucht es Mut. Im Wortstamm enthalten.

Das Wort Demut kommt aus dem althochdeutschen und besteht aus den Komponenten ‚de‘, was sich aus ‚dienen‘ ableitet und ‚mut‘. Dem Mut zu dienen. Dem Mut einer inneren Stimme zu dienen, die rational nur bedingt zu erfassen ist.

In der deutschen Sprache gibt es das Wort Tugend. Definiert als eine erstrebenswerte Charaktereigenschaft. Demut ist eine davon.

Das Wort ‚Tugend‘ bedeutet auch ‚Kraft‘ und ‚Macht‘. Das kann ich nachvollziehen: Demut gibt Kraft. Kraft, das Leben in jedem Augenblick anzunehmen, so wie es ist. Demut gibt mir Macht über mich selbst. Über meine Gefühle, über meine Handlungsoptionen.

Das führt zurück zu Anselm Grün. Er sagt, Demut ist kein Ziel, sondern ein stetiger Prüfstein auf dem eigenen Weg. Sie fragt und hinterfragt immer wieder aufs Neue ‚Wer bin ich und warum tue ich, was ich tue?‘

Wenn ich mir kritisch ins Auge sehe, und annehmen kann, was ich sehe, kann ich es jeden Tag nur besser machen. Ehrlicher. Authentischer. Schöner. Verletzlicher.

Ich hab’s verstanden. Ich traue mich.

(Und verweisen auf meine weiteren Blogartikel ‚Trau Dich!‘ und ‚Was bedeutet Sicherheit?‘)

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