Er beschäftigt mich gerade, der alte Schmerz. Nicht nur, dass ich ihn selbst gefühlt habe und aus meiner Beobachterposition der Vergangenheit zuordnen und ihn modellieren konnte. Sondern auch, weil ich sehe, wie und wo er sich manifestieren kann, dieser alte Schmerz.
Oft haben wir ihn gefühlt, als wir ganz klein waren. Oder wir haben ihn von unseren Eltern, Großeltern und Ahnen epigenetisch mitbekommen. Wir haben ihn ungefragt in unser Gepäck übernommen.
Manchmal merken wir gar nicht, dass er da ist. Er hat eine harte Schicht um sich herum. Eine vermeintliche Schutzschicht. Sie dient dazu, nicht zeigen zu müssen, wie zart und zerbrechlich es darunter aussieht. Wie bei meiner Skulptur: sie ist aus ungebranntem Ton, überzogen mit einer Eisenschicht und einem Oxidationsmittel. Außen ganz hart, innen ganz zart. Wenn sie fällt, bricht sie auf, die Eisenschicht. Das Innen wird sichtbar, nahbar.
Ich denke, so ist es oft im Leben. Wir fallen auf die eine oder andere Art. Die einen durchleben eine Trennung, die anderen eine Krankheit, einen Unfall, eine Lebenserschütterung. Wir stellen fest, dass wir verletzt sind. Eine oder mehre Wunden haben. Sie werden sichtbar. Unsere Verletzlichkeit zeigt sich. Vorübergehend oder längerfristig. Je nachdem wie wir damit umgehen.
Jede Krise birgt auch eine Chance. Im Chinesischen sind Krise und Chance das gleiche Wort. Es ist unsere Entscheidung, ob wir sie sehen wollen. Ob wir die Verletzung verdecken oder bewußt zeigen. Kintsugi heißt im Japanischen die Kunst, aus einem zerbrochenen Ganzen, ein neues, vergoldetes Ganzes entstehen zu lassen. Das Alte wird angenommen und bietet die Basis für neuen Glanz.
So ist es auch mit dem Schmerz. Ihn zu fühlen, ihn anzunehmen, ihm seine Daseinsberechtigung zu geben, ihn zuzuordnen – und dann Neues entstehen lassen. Wenn wir uns dazu entscheiden. Wir haben die Wahl.
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